37.
Sie
war vor mir da. Ich weiss nicht, warum ich mich so nah neben sie setze. Um die
Zeit sind noch viele Tische frei; die Leute sind einkaufen oder schlendern
plauschend auf dem Marktplatz herum, schauen sich die kleinen Fundstücke der
Flohmarktstände an. Hier also, zum Greifen nah, nein, in Wahrheit wie auf einem
anderen Planet diese Frau. Ein wenig mollig ist sie, finde ich. Himbeerfarbig
der Pulli und der Schal dazu, eine kleine Frau, bestimmt nicht nur im Sitzen.
Hinter ihrer dicken Sonnenbrille schaut sie direkt zu mir, dreht an ihrem
schwarzen, leicht gekräuselten Haar. Die rechte Hand zwischen ihren Schenkeln
vergraben. Ihr Mann liest wortlos die Zeitung oder telefoniert. Hinter beiden
ein Kinderwagen, und sie? Schon wieder schwanger?
Durch das Spiegelschwarz ihrer Sonnenbrille wehen spinnwebenfein zwei Drähte zu mir
herüber, haken sich in meinen Augen fest. Ich halte still, um sie nicht zu
zerreißen, halte den Blick in ihre Blicknacht hinein. Und dann schickt sie mir
an den Drähten entlang Buchstaben herüber. Ich muss blinzeln, als sie bei mir aufprallen. Sie sind
handschriftlich, hastig gekritzelt und wenn mich mein Italienisch nicht trügt,
fehlt ein Buchstabe beim zweiten Wort.
Ah, da kommt er nachgereicht. Was schreibt sie? Ich muss schmunzeln, als
ich es endlich entziffert habe.
„Ich habe kein Interesse an dir.“
Sehr gut. Jetzt darf ich keinen Fehler begehen.
„Auch ich interessiere mich nicht für den Duft deiner
Haare“, schreibe ich zurück. Sie hat ebenfalls einige Schwierigkeit mit meiner
deutschen Handschrift, doch als sie den Text verstanden hat, lässt sie rasch
ihre Haare los. Ein wenig verblüfft, wie einer, der auf ein Selbstgespräch
Antwort erhält.
Wie lange sie zögert, hab ich schon verspielt? Sie steht
auf, fummelt am Kinderwagen herum, dabei schläft das Kind doch. Sie setzt sich
wieder auf ihren Stuhl. Schaut auf ihren Mann; der liest die Zeitung. Und dann
schickt sie mir doch wieder eine Nachricht. Diesmal in Druckbuchstaben.
„Meine Haare duften nur, wenn der Wind sie verweht.“
„In der Windstille könnte ich mir ein Nest hineinbauen?“
„Nein“, schreibt sie, „nein!“ und hebt für einen Augenblick
die Brille von den Augen; sie sind so schwarz wie die Brille. Ich will eben
antworten, da wischt ihr Mann die Zeitung zusammen, mit großer Gebärde und
springt auf. Er tritt zwischen sie und mich, zerreißt unsere Drähte.
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