Mittwoch, 6. Juni 2012

Nachtflugschreiber 5: Geklautes Auto,- geklautes Leben


Mit großen Augen – schreibt er - folge ich dem Sog auf der Rennbahn der 250 Seiten, höchst amüsiert über den artistisch getroffenen Jugendjargon, neidisch über das erzählerische Feuerwerk. (Herrndorf, „Tschick“) Am Ende klapp ich das Buch zu und bin kleinlaut; unzufrieden mit meinem Leben, dem jetztigen, aber auch dem von früher. Natürlich weiß ich und hier ist es mir deutlicher als kaum je geworden: das Leben und die Erzählung von ihm sind durchaus nicht dasselbe, wie linker und rechter Schuh kann man sie niemals vertauschen. Und ich weiß bei der fulminanten Schlussszene: die Alkimutter schmeisst ihren ganzen Bürgerplunder in den Swimmingpool, der verzagte Taugenichtssohn, eben von einem Wahnsinnstrip wieder heimgekehrt hilft mit. Und sie springen beide hinterher. Aber sie bleiben unter Wasser nur solange, bis die Titel des Abspanns darüber hinweggeflimmert sind. Dann werden sie prustend wieder auftauchen und nun geht das Leben weiter, so öde wie vorher. Das wirkliche Leben.
Bin ich Spielverderber, - schreibt er – wenn ich mein Lesevergnügen in diese Moralsauce tunken, dass Leben und Literatur nur sehr entfernte Verwandte sind? Kindern, die beim Menschärgredichnicht heulen ermahnt man: Ist doch nur ein Spiel. Als Erwachsner sollte man links und rechts nicht mehr verwechseln. Aber wie viel Verführung weht uns aus guten Texten an, sie für bare Münze zu nehmen, für eine Währung, die auch im eigenen Leben was gilt. Spricht es für das jugendstrotzende Buch oder gegen den alten Mann, dass so ein rasantes, sich überkugelndes roadmovie einen auf den Gedanken bringt, sein eigenes Reisen, früher, gar jetzt, auf den Prüfstand zu hieven? Wie glatt, wie flurbereinigt sind –schreibt er - meine Reisen nach Venedig zB, und Venedig, das ist immerhin schon was.

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