Samstag, 23. April 2011

31.
Über Nacht ist es heiß geworden, ohne Warnung, ohne Vorlauf, mit einer Knallsonne, die wie ein Gewicht von oben herabdrückt. Und schon sind sie da, als hätten sie darauf gewartet. Wir kennen bei uns ja die Bauchladenwurstverkäufer, auf den großen Plätzen, vor den U-Bahnstationen. Hier sind es die Schattenmänner; Männer sagt man, aber es sind auch Frauen darunter, freilich weniger; der job verlangt Muskeln.
In einer Art Rucksack tragen sie ein Bäumchen auf dem Rücken. Kein hohes, aber doch mit soviel Laub, dass ein schöner Schatten entsteht. Sie haben kleine Sesselchen, einige sogar raffiniert ausklappbare Liegen dabei. Hat es sich erst ein Kunde darauf bequem gemacht, zaubern sie aus ihren Jacken Getränke,- auf unerklärliche Weise gekühlt; auf Wunsch auch Kaffee,- und der ist genauso rätselhaft warm, nein, richtig heiß. Einige haben in ihren Bäumchen Singvögel; warum die nicht wegfliegen? Und sogar Obst, das man – Höhepunkt und natürlich nicht billig – pflücken darf. Da ist natürlich ein Trick dabei; auch hier gibt es um diese Jahreszeit noch keine reifen Äpfel oder Birnen, auch noch keine knallroten Kirschen.
Je nach Wunsch zaubern diese Schattenbaumträger – weiß gar nicht, wie die wirklich heißen – Tageszeitungen oder gar richtige Bücher aus ihren unergründlichen Jacken. Man sieht, wie die „Kunden“ wiederholt nachzahlen; sitzt man einmal in so einem kleinen Schatten, mag man gar nicht mehr aufstehen. Vielleicht auch, um den nicht wenigen Gaffern ringsum zu bedeuten: ich kann mir das leisten. Der Schatten ist naturgemäss nicht groß; ich habe aber beobachtet, dass sich zu dem im Schatten Sitzenden ein Freund, ein Bekannter dazugesellte, der dann, selber in der scharfen Sonne stehend, mit dem Sitzenden plauderte. Nicht lang natürlich. Den Sitzenden ist diese Situation anscheinend nicht peinlich. Ich jedenfalls hab zwar große Augen gemacht aber dann bislang noch nicht die courage aufgebracht, mir so einen Schattenplatz zu mieten. Nicht aus Geiz, du kennst mich; auch nicht aus Geldmangel, noch hab ich sehr wenig von meinem Reisegeld verbraucht. Ne, es wär mir peinlich, ich könnte mich nicht entspannen, wenn hinter mir so ein armer Kerl mit einem Baum im Rucksack stünde,- oder gar eine Frau. Drum für heute: sehr heiße (verschwitzte) Grüsse. J.

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