Dienstag, 26. April 2011

32.
O.K.- ich bin kein Ass in Botanik; ich kann Tulpen von Hortensien unterscheiden, zur Not auch noch Veilchen von Margueriten. Standard halt. Aber ich liebe Blumen, anders übrigens als mein Vater: der hätte sich bestimmt geschüttelt, hätte man ihm einen Blumenstrauss geschenkt (und gedacht: eh, bin ich schwul?!). Naja, eine andere Generation, obwoh ich finde, dass man auch heut noch eher einer Frau Blumen schenkt als einem Mann. (Das kannst du dir ruhig merken). Ich komm ein bisschen vom Thema ab. Hier hält man viel von Blumen; die öffentlichen Parks sind voll davon, mehr noch aber die privaten Gärten. Vor allem natürlich an den Prachtvillen am Südende des Grossen Sees, in Richtung Moor. Ich würde dir das nicht schreiben, wenn ich nicht ein besonderes Erlebnis gehabt hätte. Bei einem Morgenspaziergang, sehr früh, ich konnte nicht schlafen, bin ich in dieses Villenviertel am See geraten. Spaziergänger sind dort eigentlich nicht besonders erwünscht; wie überall auf der Welt bleiben die Reichen lieber unter sich. Aber das Tor einer besonders schönen Villa war geöffnet und ich hab mich einfach unter die Schar von Gaffern gemischt, die – erwünscht oder nicht – hineindrängte. Außer mir wusste offenbar jeder, worum es ging: ein Blumenwachstumsritual. Du kennst meine Skepsis gegenüber allem, was in meinen Augen „Esoterik“ ist. Aber ich beschreib dir erst mal, was geschah.
Ein paar stämmige Burschen luden ein Klavier ab und trugen es in die Mitte des Gartens, stellten es dort neben den kleinen Teich. Kein besonders großes Klavier, also kein Flügel, normale Zimmergröße halt. Rabenschwarz. Eine ältere Frau dirigierte, energisch aber unaufgeregt und die Kerle stellten ohne zu murren das Klavier ein paar mal um, bis sie zufrieden war. Von den Umstehenden erfuhr ich hinterher: sie war mal eine berühmte Malerin, malte Kleines ganz groß, zum Beispiel ein Ameisenauge auf eine Leinwand von ein paar Quadratmeter. Später hab ich mir einige Bilder von ihr angeschaut, die hier in der Staatsgalerie hängen. Sehr eindrucksvoll, ein wenig abstrakt und wunderbar kräftige, fast betörend schöne Farben. Sie war ziemlich gut im Geschäft und dann hat ein Verrückter in einer Ausstellung in Japan (?) eines ihrer Bilder von der Wand gerissen und mit einem Messer zerschnitten. Statt diese gewaltige Reklame zu nutzen, hat sie von dem Tag nicht mehr gemalt. Man munkelt, sie macht jetzt nur noch fingernagelgroße Collagen, vielleicht stimmt das aber nicht. Die Leute wollen ja immer Mythen. Jedenfalls hat sie sich seit der Zeit sehr intensiv mit Blumen beschäftigt und betreibt mit ihrem Mann eine Art von Blumen&Pflanzenmagie. Sie treten gemeinsam auf, er spielt Klavier, eigene Improvisationen und sie geht von Strauch zu Strauch und sagt den Pflanzen irgendwas. So leise, dass man’s nicht versteht. Er ist sehr elegant gekleidet, sieht aus wie ein gehobener Banker, sie eher ein bisschen alternativ Schlurfi, aber geschmackvoll.
Vielleicht stelle ich das zu ironisch dar, weil wie gesagt mein Glaube an so was recht klein ist. Ich kann ja nicht beurteilen, was auf Klavier und Flüsterworte und was auf Pflanzendünger zurückgeht. Ich hab mir später ein paar Gärten zeigen lassen, die die beiden „bespielt“ haben und muss zugeben, die sind eindeutig besser im Schuss als andere, zum Beispiel gleich daneben. Allerdings gibt es auch einen, heißt es, an den sie schon seit drei Jahren ranarbeiten und nix wächst. Kann aber halt auch andere Gründe haben. Ich hätte natürlich gern gewusst, wie teuer der Spaß ist, das war aber nicht rauszukriegen. Die Gaffer, die man nach der Zeremonie höflich aber bestimmt wieder hinauskomplimentierte haben davon selbstverständlich keine Ahnung, die Villenbesitzer zu fragen hab ich mich nicht getraut. Außerdem wurde ich genauso unmissverständlich hinausgescheucht wie die anderen. Aus Rache (?) hab ich mir einen kleinen Zweig mit wundervoll roten, fast feurigen Blüten abgezwickt. Keine Ahnung, wie die heißen (siehe oben).

P.S.:
Ich muss was zurücknehmen: als ich Minjonn von der Geschichte erzählte, wusste sie, dass das Blumenpärchen offenbar nicht geldgierig ist. Ab und zu haben sie einen Auftritt in den muffigen Hinterhöfen der Altstadt. Auch da, wo sonst nichts wächst als ein paar rachitische Sträucher gibt es einige Höfe, die richtige kleine Blumenparadieschen sind. Hab ich natürlich nicht geglaubt, aber nach einiger Sucherei hab ich so einen Hinterhof gefunden und muss sagen: sehr erstaunlich. Dort hatte das Paar am Ende des Winters einen Auftritt und zwar, halt dich fest: vollkommen kostenlos. Die beiden bestehen nur darauf, dass bei so einem Beschwörungsakt in einem dusteren Hinterhof keine Presse dabei ist. Das imponiert mir. Ich werde versuchen, in Kontakt mit diesem seltsamen Pärchen zu kommen. Wie man hört, nicht leicht: sie gelten als menschenscheu,- aber bei meinem Charm....
Heut also blumige Grüsse.
J.

Keine Kommentare: