Montag, 28. Februar 2011

12.
Ich bin nicht oft in der Stadt; es ist doch recht weit bis dahin, außerdem ist es mir zu wuslig dort. Und so wirklich viel gibt es auch wieder nicht zu sehen. Wenn nicht die schönen Cafès wären. Aber auch da ist man nicht von Überraschungen sicher.
Ich sitz neulich in meinem Lieblingscafé am Tiefen See; so heißt der und Café hat seinen Namen auch von ihm. Wenn man nicht auf der Terrasse sitzen kann, ist es auch drinnen sehr behaglich: bequeme Holzstühle mit bunten Kissen drauf, davor runde Tische mit einer Marmorplatte,- seegrün.
Ins Café kommt eine junge Frau, - nun: ganz jung ist sie nicht mehr, sie geht auf mich zu und fragt freundlich, ob sie sich auf meinen Platz setzen dürfe, den ich angewärmt habe.
Verdutzt krame ich meine Siebensachen zusammen, schiebe sie auf die andere Seite des Tisches und setze mich dort wieder hin. Der Platz fühlt sich fremd an. Auch die schöne Aussicht hinaus auf den See hab ich nun nicht mehr.
Sie nimmt Platz, auf meinem Stuhl und sagt wohlig seufzend: „O ja, das ist angenehm warm.“ Dann holt sie ein Buch aus ihrer Tasche und beginnt zu lesen. Ich bemühe mich, nicht zu ihr hinzuschauen. Sie hat was, auch wenn sie nicht umwerfend schön ist. Unaufgefordert stellt ihr die Kellnerin eine Tasse Tee hin. Ohne von ihrem Buch aufzublicken sagt sie sehr freundlich: „Du hast die Milch vergessen, meine Liebe.“ Als die Milch kommt, macht sie eine kleine Gebärde und die Kellnerin stellt das Glas auf meiner Seite auf den Tisch. Ich will sie grad zu ihr hinüber schieben, da legt sie ein Lesezeichen in ihr Buch, klappt es zu und sagt mit einem verbindlichen Lächeln zu mir: „Würde es Ihnen etwas ausmachen, noch mal den Platz mit mir zu tauschen?“ Als ich ein wenig irritiert lache, fügt sie hinzu: „Jetzt haben Sie den doch auch angewärmt, nicht wahr? Das ist nämlich eigentlich mein Lieblingsplatz“.
Amüsiert kehre ich zu meinem ursprünglichen Platz zurück. Er kommt mir nun seltsam kalt vor, als hätte sie alle Wärme in sich eingesogen.
Ich bin verabredet, muss schließen. Bald mehr.
J.

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