Montag, 7. Februar 2011

uhrenzucken

Ist einer von Natur aus gefügig, kann ihn das Ticken der Uhr leicht in die Knie zwingen. Lange hat er’s geschafft, sie zu überhören, das verdankt er andren Geräuschen, die er undankbarerweise verflucht. Das Fauchen des Autoverkehrs vor dem Fenster zum Beispiel. Übrigens als Geräusch durchaus rein, wohltuend unsichtbar. Ein beharrliches Kommen und Gehen, von dahier nach dorthin. Dergleichen betont freilich das eigene Festgenageltsein; wer mag sich daran erinnern lassen?
Auch das Zischen der Heizung kann wie ein herrschsüchtiger Pascha alles andere zum Schweigen verdammen. Doch nicht lange, denn für das kleine Zimmerchen wird die voll aufgedrehte Heizung rasch zu heiß. Wieder zugedreht, erstirbt das blasende Strömen der Heizung, schickt noch einige Knacktöne nach, dann ist es vorbei.
Schonungslos rückt nun die Stille des entleerten Hauses heran. Keine Stimmen im Korridor, kein Telefonfiepen, kein Mädchengelächter. Kein Schritt, keine Tür. Die dumpfe Fermate des Garnichts. Und nun, als wär’ es das Vorspiel für die Arie einer Diva, erhebt sich, nein schmiegt sich, nein schält sich ein boshaftes Solo aus der matten Stille heraus. Wie bei leise sprechenden Menschen unser Ohr alles vergrößert, Banales aufbauscht, Dünnes verhärtet, so scheint auch hier das gedämpfte Ticken im Lauschen zu wachsen. Es quillt auf. Trippelt mit rhythmischen Schritten vor an die Rampe. Aber da tickt doch nur ein ganz kleiner Wecker?! Das Große bleibt groß nicht und klein nicht das Kleine (Ach, nicht nur am Fuße der Moldau).
NooochNicht! Oder: Zuuuugleich. Immer ist der erste Ton ein Zögern, der zweite widerruft dies mit gesteigerter Schärfe, kompromissloser Definitivität. Der erste Ton nur als Vorsilbe, „ge-“, der zweite als das finite Verb: „tan!“ ge-tan, ge-sehn, Ge-bet, Ge-fecht, geh-weg, geh-weg, es ist - zu spät.... Ich spüre im Ticken den Sensenschlag des Tods von Altötting, der den gleichen Schritt und Tritt der Soldaten imitiert. Pardon wird nicht gegeben.
Noch klingt alles katzenpfötig verhalten. Es ist kein randscharfer Trommelschlag, überhaupt kein Schlagen, eher leicht ausgefranst, wunderlich vielstimmig, vor allem im Auftakt. Dünn wie das Aufstampfen winziger Strohhalme. Der Aufmarsch von stählernen Schreibfedern.
Wie lange kann es sich mein Herz leisten, in Synkope zu diesem Kommando zu schlagen? Das ist ein Duell: er oder ich! Noch ist mein Herzschlag langsamer, hinkt hinterher, bald wird er hektisch, rennt, stolpert voran, um dem Taktgebermaßstab zu genügen, und dann schießt er weit übers Ziel hinaus. Ich hab mich verlaufen. Atemlos, herzklopfenbang.

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