Mittwoch, 23. Februar 2011

8.
Bin ich am falschen Platz gelandet? Zu sehr am Rand oder wie soll ich das nennen, da ich noch keinerlei Überblick habe. Außer dem Schloss auf der anderen Seite des Flusses gibt es hier offenbar aber auch gar nichts Sehenswertes. Also nichts, was wir im allgemeinen darunter verstehen: Gebäude, Museen, Plätze, Strassen. die unvermeidlichen Buchhandlungen, die Cafés. Zur Not Geschäfte; darauf bin ich schon weniger scharf, du weißt es. Na ja, und die Kneipen.
Ich bin auf einer Insel, aber hier, wo ich wohne, bemerkt man davon durchaus nichts. Es muss doch jede Menge Strand geben. Aber auch davon hab ich noch nichts gesehen, ich bin ja nachts angekommen. Ich muss vielleicht erst mal rausbekommen, was die nächste größere Stadt ist und wie man dorthin kommt. Dort finde ich bestimmt Prospekte oder Führer oder sonst was, damit ich mich erst einmal orientieren kann. Du weißt, ich wollte absichtlich mal irgendwo hinfahren, wo mir die üblichen Informationen fehlten. Nicht immer und immer wieder Venedig (so schön es dort ist). Ich hab mir mit Überraschungen gerechnet, aber wenn man mit ihnen rechnet, sind es natürlich keine mehr. Im Übrigen sind sie hier bisher ausgeblieben. Nein, das stimmt ja gar nicht. Ach ich weiß nicht. Noch gibt es keinen Grund, meine Reise hierher zu bereuen, aber auch noch keinen, darüber begeistert zu sein. Ich glaub, ich muss einfach losziehen, ich mag es ja ohnehin nicht, planmäßig sightseeing-highlights abzuhaken. Wenn man meine Wege nachzeichnete, das wär’ ein seltsames Zickzackmuster, so zufällig laufe ich umher.
Fast immer bleibt man ja auf einer Reise auf schmerzliche Weise „draußen“. Reinkommt man nur in offizielle Räume, Museen, Kirchen, Theater. Die Buchhandlungen, die Cafés. Der Alltag der Leute bleibt einem da natürlich verschlossen. Und hier, da ich die Sprache nicht verstehe, hab ich sowieso keine Chance, mal in eine Wohnung mitgenommen zu werden, an einen Arbeitsplatz, in eine Hinterbühne.

Ich glaub, ich bin heut recht maulig. Bestimmt weiß ich am Abend mehr. Ich werd’ mich jetzt auf den Weg machen, ich wollte nur noch rasch ein paar Zeilen an dich schreiben und meiner Minjonn den Brief übergeben. Sie bringt meine Post immer weg, ich weiß nicht, wohin. Briefkästen hab ich hier noch keinen gesehen.
J.

Keine Kommentare: