Samstag, 19. Februar 2011

3.
Liebe H.,
ich habe noch keine Nachricht von dir; ob deine Reise unbehindert verläuft, wo du gerade bist, wie es dir ergeht. Aber vielleicht würdest du, wenn ich’s hören könnte, dasselbe klagen. Also Geduld.
Der Tag lädt dazu ein: er hat grau begonnen und der Himmel hat sich im Laufe des Vormittags zwar nach oben entfernt, das lustlos ungenaue Licht aber hat sich nicht verändert. Ich habe schlecht geschlafen. Spät, vielleicht zu spät in’s Bett, hat mich schon eine Stunde später ein Albtraum ins Wache zurückgestoßen. Eine jener unerklärlichen Bedrohungen, aus denen ich in Panik und mit Herzrasen aufschrecke. Diesmal war es ein übergroßer Mann, winterlich mit Schal und Mütze eingehüllt, der auf mich zukam. Vor seinem Unterleib hielt er einen roten Plastikwasserhahn. Schon während er näherkam hatte ich im Traum das Gefühl, ich sollte nicht auf diesen kleinen Wasserhahn schauen. Er ging an mir vorbei; schon wähnte ich mich sicher, da drehte er sich mit einem Ruck nach mir um und trat heran. Danach das übliche Erschrecken usw.
Das Herzrasen verzog sich zum Glück rasch, ich schlief auch bald wieder ein, aber nur für kurze Zeit – lassen wir das. Der Tag ist noch jung und vielleicht wird er bald farbiger, heller wenigstens.
Im Hinterhof, der sich zu einem kleinen Sitzgarten öffnet, Bank, Brunnen, Blumenbeete, der Hinterhof ist mit einem dickschuppigen, dunkelgrünen Efeuteppich an den Häuserwänden bewachsen. Aber draußen, am Ufer, da meinte ich gestern Abend, im Halbdunkel, an einem der wintertrockenen Äste des dichten Gebüsches einen kleinen grünen Spross zu sehen. Kleines, mutiges Frühlingsanzeichen. Darauf setze ich; grün ist ansteckend.
Es ist seltsam ruhig, nein: still. Als hätte eine Ebbe alle Geräusche mit sich fortgesogen. Der Fluss ist ohnehin lautlos; leider. Mich wundert, dass auch kein Vogel zu hören ist. Auch das Haus klingt nicht, keine Schritte, keine Stimme. Es könnte einem unheimlich werden. Vielleicht sollte ich hinausgehen, aber ich tu’s nicht. Ich werde etwas machen, was du an mir durchaus nicht kennst, was, täte ich’s zuhause dir am Ende Sorgen machen würde: ich schlüpfe zurück ins Bett. Es ist so weich und noch ein klein wenig warm von mir und ich lasse mich treiben wie in einem Boot auf einem Gewässer voll Stille.
Vergiss nicht zu schreiben!
J.

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