Samstag, 5. März 2011

17.
Ach liebste H., was gäbe ich darum, jetzt bei dir auf deinem roten Sofa sitzen können, deinen unvermeidlichen grünen Tee im Glas...
Ich fühle mich ganz elend, nein, ich bin’s. Die erste Panik hat sich gelegt; um so schlimmer nun die wiederkehrende Vernunft, die mich anfeindet, ja ankeift: Und nun?! Aber ich weiß nicht weiter. Was so unvermutet über mich hereingebrochen ist, dafür hab ich keine Erfahrung. Mein Körper ist den Strapazen nicht gewachsen; du weißt, was ich für ein unsportlicher Bücherfresser bin. Die Füsse tun mir weh vom Laufen, das Herz rast von diesem ständigen Aufwärts. Manchmal denke ich, ich bin auf einem Weg, dann wieder habe ich den Eindruck, dass ich nur über Geröll stolpere. Bin schon ein paar mal hingefallen; meine Kniee bluten durch die Hose hindurch. Vor allem weiss ich gar nicht, wo ich hin soll oder hin will. Ich haste nur immer weiter einen Berg hinauf, durch Bäume, Moos, Gestrüpp, über Bäche. Immer weiter hinauf, weil ich denke, das bringt mich immer weiter weg. Ich bin auf der Flucht, mein Gott, wie das klingt. Ich weiß nicht mehr, was mich bewogen hat, so hirnlos davon zu rennen, als hätte ich die geringste Chance, in einem unbekannten Land unterzutauchen. In Romanen liest man so schön, dass solche Flüchtige wie ich im Wald sich von Beeren und Wurzeln nähren; ich hab noch nichts gesehen, was man essen könnte. Die Vorräte, die mir Minjonn zugesteckt hat, reichen bestenfalls noch bis morgen früh. Ich muss aufhören. Es dämmert schon, ich kann meine eigene Schrift nicht mehr lesen und das Blatt ist auch voll.-
Recht verzweifelt: J.

Keine Kommentare: