Dienstag, 8. März 2011

21.
Ich hab mich neu eingekleidet, trag’ nun die ein wenig formlose, bequeme Bekleidung der Einheimischen aus hellem Leinen; es hilft mir Abstand zu gewinnen zu den letzten Tagen. (Es hallt länger in mir nach als ich gedacht hatte). Ich bin dadurch auch ein bisschen weniger auffällig als Fremder gekennzeichnet,- obwohl mich nach dem ganzen Theater mit dem Überfall und meiner Flucht und der Suche nach mir usw. fast alle kennen. Das ist mir schon peinlich. Ich muss weiterreisen, auch deshalb, aber vor allem, weil hier alles vollgesogen ist vom Schrecken der letzten Tage. Ich habe mich von Johanno beraten lassen, vorher aber will ich dem armen Alten, den die Räuber überfallen hatten, noch einen kleinen Besuch abstatten. Vielleicht kann ich Minjonn bewegen, mich zu begleiten. Johanno hat mir den Tip gegeben, für einige Zeit in ein Hochtal zu reisen, das nicht nur durch seine landschaftliche Schönheit sehr beruhigend wirken soll; es gibt dort auch einige Gemeinschaften, eine Art Sekten würden wir vielleicht sagen, aber das Wort sollte nichts Abschätziges beinhalten. Johanno wollte nicht genauer werden. Jedenfalls Leute, die einen eigentümlichen Lebensstil praktizierten.

Es war eine gute Idee, den Alten zu besuchen, und eine gute Idee war es auch, Minjonn mit zu nehmen. So kam es nicht wieder zu so einem gewaltigen Besäufnis wie bei meinem ersten Besuch. Der Alte, er heißt oder jedenfalls nennen ihn alles so: Chonlin. (da ch schweizerisch halsgekratzt). Chonlin trug noch einen dicken Verband um den Kopf, war aber schon wieder putzmunter; ein harter Bursche, der was wegstecken kann. Er begrüßte mich überschwänglich und baute gleich eine deftige Brotzeit für uns auf einem Tischchen im Garten vor dem Haus auf. Die Schnapsflasche verstaute er auf meinen dringenden Blick hin mit einer Grimasse unter den Tisch. Er stellte eine Schale mit Beeren auf den Tisch, über die sich sogar Minjonn sehr erstaunt zeigte; irgendwas Rares. Sahen aus wie Brombeeren, waren aber hellgelb. Sie schmeckten unwahrscheinlich aromatisch. Als ich merkte, wie scharf Minjonn auf diese offenbar sehr seltenen Früchte war, hielt ich mich zurück und überließ ihr den Löwenanteil.
Die Räuber waren entkommen, die Steinkröten nicht wieder aufgetaucht. Chonlin erzählte was von einem Markt, auf dem er sie zu finden hoffte, ich hab ihn aber nicht recht verstanden. Dass diese seltsamen Gebilde sehr wertvoll waren, hatte ich inzwischen kapiert. Auch Johanno hatte auf meine zweifelnden Fragen beteuert, das seien echte Steine und die darin verborgenen Kröten seien lebendig; wie das möglich sein sollte, wusste auch er nicht. Als der Alte von meiner bevorstehenden Reise hörte, kramte er in seinem behelfsmäßig renovierten Schuppen und kam mit einem Fläschchen zurück. Er redete auf Minjonn ein, sie sollte mir erklären, wozu die Flüssigkeit – es war ein altes Fläschchen, nur gut 10 cm hoch – gut sei. Ihre Erklärung verstand ich leider auch nicht viel besser als die des Alten. Irgendeine Medizin jedenfalls,- aber wofür, oder besser: wogegen? Bei Angst und großer Not oder so ähnlich. Er überreichte mir das Säftchen so feierlich, dass es mir fast unheimlich war. Um ihm zu zeigen, wie hoch ich sein Geschenk schätze, wickelte ich es pedantisch in mein Taschentuch und steckte es, vorsichtig als ob Nitroglyzerin drin wär’ , in meinen Rucksack. Er gab mir auch noch allerhand Ermahnungen mit auf den Weg, die ich großäugig anhörte und bedeutend dazu nickte; verstanden hab ich davon nur einen Bruchteil. Beim Weggehen steckte er mir noch mit Verschwörerblick einen Flasche Schnaps zu und ich ließ sie genau so komplizenhaft in der Jackentasche verschwinden; Minjonn tat uns den Gefallen und tat so, als bemerke sie nichts. Die haben es hier alle faustdick hinter den Ohren, das kannst du mir glauben.
Ich muss packen. Ich hab mich entschlossen, nur das allernotwendigste mit zu nehmen. Den Grossteil meines Gepäcks lasse ich hier in der Herberge, die so zu meinem Hauptquartier wird, in das man immer wieder zurückkehrt von seinen Expeditionen.
Deine Briefe werde ich mitnehmen; es sind ja nicht all zu viele. (!)
Denk in den nächsten Tage mal an deinen gutenalten
J.

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