Donnerstag, 17. März 2011

23.
ich weiß gar nicht, ob das auf mich einströmt? Oder aus mir heraus? Ich spüre eine Bewegung in mir und sitze doch nur auf dem Balkon und schau hinaus. Vom Wald kommt baumgrün eine würzige Luft zu mir herüber, aber das ist es auch nicht. Ich kann es nicht beschreiben. Meine Unruhe, auch der nachhallende Schock verdunsten gleichsam, zugleich saugt sich mein Körper voll von einem Frieden, einer Zustimmung – ach, ich lass es. Vielleicht verstehst du mich trotzdem.
Das Haus, in dem ich nun wohne, ist nicht klein, aber schmal. Es hat zwei Stockwerke, verbunden durch eine Wendeltreppe. Im oberen schlingt sich ein Balkon wie ein Ring um das ganze Haus. Das Tischchen, der Stuhl, ein Abstellhocker, sie haben Räder, man kann sie verschieben: immer der Sonne nach, oder dem Schatten. Dabei ändert sich der Ausblick wenig. Wie ein zweiter großer Ring schließt überall ein dunkler Wald das Bühnenbild. Davor Wiesen, Bäche, ein kleiner See. Nah rings um das Haus ein Gärtchen. Obstbäume, Blumenbeete. Kräuter. Bänke, schmale Wege mit hellem Kies bestreut.
Im Haus gibt es Zimmer, die sich vor allem durch das Licht unterscheiden. Ein Raum, ich nenne ihn den Salon, ist von Licht geradezu überflutet. Tagsüber fast gleißend; am Abend scheint das Licht aus den großen Fenster hinauszurinnen, wie die Ebbe das Meer mit sich mitnimmt. Diese Fenster werden großäugig, fast vibrierend vor Helligkeit, während drinnen das Dunkle wie ein Wasserspiegel ansteigt, oder von oben herabsinkt? Diese Dämmerung wie eine Vorstellung, wie ein Konzert zu erleben ist wunderschön. Ganz gegen meine sonstige Gewohnheit muss ich nichts lesen, nichts schreiben. Nur diesen Lichtwandel erleben. Einziger Zuhörer, einziger Zuschauer von etwas Großem.
Ein anderes Zimmer, unterm Dach, ist dagegen fast dunkel. Hoch oben einige runde Fensteröffnungen. Man fühlt sich aber nicht wie in einem Verlies, eher wie in einer alten Wallfahrtskirche, vor den Zeiten der künstlichen Beleuchtung. Obwohl das Licht sich in wahren Kaskaden durch diese Luken in den Raum ergießt hat man eher den Eindruck, das seien Luken hinaus, Ferngläser,- in den Kosmos?

Ich fürchte, für deinen Geschmack bin ich heut zu schwärmerisch; vielleicht vermisst du gar meine sonstige Ironie, meine Spöttelei. Ich weiß selber nicht, wenn ich das Geschriebene noch mal durchlese, kommt es mir schon ein wenig verschwiemelt vor. Wenn ich aber den Blick vom Blatt löse und ihn wieder dem Raum und seinem Licht zuwende, kommen mir meine Worte eher noch zu dürftig vor. Du wirst es nicht glauben, seit drei Tagen bin ich nun hier und habe das Haus kaum verlassen; manchmal ein paar Schritte im Garten, aber schon zieht es mich wieder zurück in die Räume oder auf den Balkon. Auf dem Dach ist übrigens eine Art Altane, da hab ich einmal eine Nacht geschlafen; unter dem nackten Himmel. Anfangs mit Unbehagen, als wär’ ich nicht zudeckt, weil der Raum über mir so endlos erschien. Je dunkler es wurde – und es war eine sternklare Nacht – um so ruhiger fühlte ich mich. Ganz früh hat mich aber die Kälte aufgeweckt, die durch meine Decken sickerte. Da bin ich drunten in mein weiches Bett gekrochen. Ehe ich wieder einschlief, ich hatte die Augen geschlossen, sah ich die zahllosen Sterne über mir. Was sagst du? Seltsame Dinge gehen hier vor.
J.

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