Donnerstag, 24. Dezember 2009

Jacobs kalter Fuß

Lange nahm er es als selbstverständlich, dass er abends so kalte Füße hatte. Es wunderte ihn nur, dass sie so schwer wurden, dh. eigentlich nur der rechte. Als er eines Abends, noch lange vor dem Schlafengehen, die Socken auszog, fasste sich sein rechter Fuß nicht nur eisig an, auch sonderbar glatt. Nicht nach der Seidenstoffglätte sehr kalter Haut, eher steinern. Doch dafür wieder nicht trocken genug. Und als er den rechten Fuß zwischen die vorher geriebenen Handflächen presste, um ihn zu wärmen, hatte er den Eindruck, als klebten seine Hände fest wie an einer Packung tief gefrorenem Spinat. Als er aber in die Socken fuhr wie in Handschuhe, um damit den kalten Fuß warm zu reiben, blieb auf seiner Socke ein hauchdünner Schnee zurück, fast wie Reif.

Ungläubig klopfte er mit dem Fuß aufs Parkett, es klang hart, wie Stein oder Gips. Als er dieses Klopfen wiederholte, mit stärkerem Schlag, splitterte eine winzige Ecke von der Ferse ab und als er sie aufhob, schmolz sie ihm zwischen den Fingern. Auf seinem Zeigefinger blieb kurz eine winzige, durchsichtige Pfütze zurück, sickerte dann herab auf die Handfläche, war aber nicht mehr genug, um das große M in den Linien seiner Handfläche zu füllen.

Was war zu tun? Den zu Eis gefrorenen Fuß behutsam auftauen? Oder ihn vielmehr, um Zeit zu gewinnen, zusammen mit Eiswürfeln in Tücher hüllen, außen herum eine Plastiktüte? Er erinnerte sich, daß er schon lange keine Eiswürfel mehr im Kühlschrank hatte; er trank keine Getränke, die nicht Zimmertemperatur hatten.
Er suchte ein Thermometer, mit dem er die Raumtemperatur im Schlafzimmer hätte messen können, fand aber nur eins für Fieber. Das fing erst bei 36 Grad an, zu messen. Das Schlafzimmer war zwar der einzige unbeheizte Raum in der Wohnung, aber kälter als dreizehn, fünfzehn Grad war es dort bestimmt nicht. Nur auf dem Balkon war es winterlich kalt, um den Gefrierpunkt herum. Es war elf Uhr abends, er konnte doch nicht draußen auf dem Balkon übernachten. Oder doch? Eingehüllt in alle verfügbaren Decken, nur den Fuß herausragen lassen. Doch zum Liegen war der Balkon zu schmal. Er hätte auf einem Stuhl sitzend die Nacht verbringen müssen.

Verzagt ging er im Zimmer auf und ab, blieb aber bald wieder stehen. Der gefrorene Fuß polterte auf dem Holzfußboden wie eine Prothese; er musste an Käpt‘n Achat aus Moby Dick denken.
Er ließ sich in den Sessel sinken, legte eine Decke über seine Beine und während er nachgrübelte, wozu er ein Monster geworden war, auf einen Schlag, bildete sich langsam und unhörbar eine Pfütze unter seinem rechten Fuß, an der sich die Wolldecke betrank.

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