Donnerstag, 24. Dezember 2009

Kniefall

Der Läufer im Schlosspark stolpert, rudert mit den Armen, knickt dann aber doch ein und landet auf seinen Knien. Peinlich berührt schaut er sich um, niemand hat seinen Sturz bemerkt. Er will sich wieder aufrichten, da spürt er, dass seine beiden Beine von den Knien abwärts sich von seinem restlichen Körper gelöst haben. Wie zwei Stehaufmännchen, als wäre ein Gewicht in den Schuhen, wackeln sie sich in aufrechte Position und setzen dann ihren Lauf fort; joggen neben ihm her. Er, der nun viel kleiner ist, stakert wie eine Puppe, breitbeinig, als hätt` er die Hosen voll. Seltsamerweise bellen die Hunde ihn an, nicht seine abgetrennten Füße.

Anfangs hofft er, dass sie einlenken. Er wird sonst nicht mehr an den Briefkasten hochreichen. Stelzenbeinig balancierend, ohne die Plattform der Füße, steht es sich erbärmlich. Auch hat er Angst, wenn er die Stummelenden seiner Knie zu sehr abnutzt, würden sie im Fall einer Wiedervereinigung nicht mehr zu der unteren Hälfte der Beine passen. Wenn die Nahtstellen zerdrückt sind, gar eitern. Er bemüht sich darum, auf dem Rasen zu laufen, den Kies zu vermeiden.

Er kann von oben in die Knorpelöffnung der beiden Unterkniehälften schauen, der Anblick ekelt ihn. An der kleinen Brücke geschieht das Schreckliche: das Fußpaar teilt sich. Einer läuft über die Brücke und dann den kleinen Bach entlang weiter, der andere bleibt diesseits. Dem schließt er sich an.

Er war von normaler Größe gewesen, nun würden alle auf ihn herabschauen. Nein, er musste jetzt zu allen hinaufschauen. Wie ein Kind, ein Liliputaner. Für einen Liliputaner bin ich nicht witzig genug, dachte er beschämt. Seine Frau würde sich beim Spaziergang nicht mehr von ihm um die Hüfte fassen lassen, sie würde ihn, da sie stets schneller ging als er, was er mit dem Hüftgriff bisher einigermaßen steuern konnte, wie ein kleines Kind an der Hand hinter sich herzerren. Der Gedanke an ihre großfingrige, immer raue Hand tröstete ihn für einen Augenblick. Aber sie würde sich nicht daran gewöhnen können, bei ihren langen Monologen hin und wieder zu ihm hinabzublicken. Sie würde über seinen Kopf hinwegreden.

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